4 May 2018
20 h

Witzleben

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M.1 Filmclub-Extra zeigt Dokumentar-Fernsehspiel von Hellmut Costard

Zwischen dem 17. Dezember 1980 und dem 14. Januar 1981 wurde die Tankstelle in Wrist Schauplatz eines einzigartigen Experiments: Der Cinéast und Filmregisseur Hellmuth Costard quartierte sich mit seinem Team bei der Betreiberfamilie Harder ein und drehte das private und berufliche Geschehen in dieser Zeit – Gespräche, Telefonate und normalen Durchgangsverkehr – einfach mit und montierte aus dem entstandenen Material dann ein dreiviertelstündiges „kleines Fernsehspiel.“

Costard, 1940 geboren, begann nach einem Psychologiestudium Mitte der 60er Jahre beim Arbeitskreis Film und Fernsehen der Universität Hamburg (AKFF) erste Kurzfilme zu drehen. Später gründete er dann mit anderen Filmemachern die „Hamburger Filmemacher Cooperative“ und wurde in den nächsten Jahrzehnten zu einem der prominentesten Vertreter des Experimentalfilms, ein „kleiner Godard“, wie eine seiner bekanntesten Produktionen heißt, für die er mit Jean-Luc Godard, Hark Bohm und Rainer Werner Fassbinder zusammenarbeitete.

Der „Witzleben“-Film kam zustande, nachdem er Mitglieder der Familie Harder Ende der 70er Jahre bei Demonstrationen in Hamburg und Brokdorf kennengelernt hatte. Wie sich aus Begleitnotizen ergibt, blieb er auch mit seiner Wrister Familenstudie ganz auf der Höhe seiner avantgardistischen Ambitionen: „Der Film beginnt sozusagen mit den Weihnachtsvorbereitungen und endet mit der ersten Benzinpreiserhöhung des neuen Jahres,“ erläuterte er hier seine Konzeption „Aber eigentlich gibt es weder einen Anfang noch ein Ende des Films, und die kleinen, vielleicht unscheinbaren Begebenheiten des Films, die sich hier in dieser Zeit zutragen, sind weniger dazu bestimmt, einen Ausschnitt aus dem Leben der Leute zu geben, als dazu, eine Eigenzeit der Geschehnisse zu entwickeln. In der Regel wurde mit mehreren Kameras gleichzeitig gedreht, ohne Skript, ohne einen vorsätzlichen Drehplan. Einen Plan sich ereignen zu lassen, ist etwas anderes, als ihn auszuführen. Einen augenblicklichen Zustand gegenwärtig zu machen, ist etwas anderes, als in Gegensätzen zu denken und Konflikte darzustellen. Wir wollten in diesem Film die Zeit erzählen. Dazu war es notwendig, die Zeit nicht gleich zu einem Thema zu machen, sie auseinanderzufalten, die Kameras wie Uhren laufen zu lassen. Dem Faden der Dinge folgen, ohne sie als Objekt zu behandeln.“

Wem dies näher liegt, der kann sich die cinéastische Rarität des bereits im Jahr 2000 verstorbenen Costard auch als Lokalchronik der laufenden Ereignisse anschauen. Als interessantes Stück Wrister Alltagsarchäologie sind z.B. das alte Schrankengebäude und der Fußgängerdurchgang am Bahnübergang sorgfältig festgehalten. Auch über die Entstehung des Films kann man sich informieren: Mitglieder der Familie Harder wollen anwesend sein.

Termin: Freitag, 4. Mai 2018, 20:00 Uhr.

Film Club Extra der Arthur Boskamp Stiftung M.1, Breite Strasse 18, 25551 Hohenlockstedt. Der Eintritt ist frei.