KKS Film AG Festival
Festival
Gucklöcher in ein vergangenes Itzehoe – der Filmclub EXTRA zeigt Filme der alten KKS-Film-AG.
Vollständiges Filmprogramm mit allen Filmen und Zeiten unter dem Text!
„Die Film AG der KKS und ihr Umfeld“ ist ein kleines Festival überschrieben, das vom 16. bis zum 19. November im Rahmen des Filmclub Extra mit Unterstützung der Filmwerkstatt Kiel im M.1 stattfindet.
Der Organisator des Festivals Christian Meurer holt eine Reihe von Filmdokumenten ans Licht, die entweder noch gar nicht oder zuletzt vor 50 Jahren gezeigt wurden: Arbeiten der „Film AG der KKS“ aus den 60er und frühen 70er Jahren.
Diese Arbeitsgemeinschaft bildete sich an der Kaiser-Karl-Schule aus einem schon vorhandenen Milieu heraus: Seit Ende der 50er Jahre ließ eine Gruppe von Lehrern um Wolfgang Reschke, Friedrich Gieselmann und Nico Hansen es sich angelegen sein, geistig-musisch begabte Schüler in- und außerschulisch gezielt zu fördern – durch eine Theater AG, Diskussionskreise, Leseanregungen, Ausstellungsbesuche oder die Schülerzeitung „Ceterum Censeo“. Aus dieser Sphäre gingen u.a. der Kulturtheoretiker Bazon Brock und die Schriftkunst-Avantgardisten Klaus-Peter und Rolf-Gunther Dienst hervor. Mitte der 60er Jahre geriet ein weiteres Talent ins Blickfeld: Der Hohenlockstedter Lehrersohn und nachmalige Film- und Fernsehregisseur Rainer Boldt („Neues aus Uhlenbusch“, „Nicht von schlechten Eltern“).
Boldt hatte schon als Halbwüchsiger angefangen, mit Amateurkameras eigene Filme zu drehen. Die erste lieh er sich bei einem Itzehoer Fotogeschäftsbesitzer, die zweite schenkte ihm eine Tante. Einige seiner ersten Filme reichte er bei Amateurfilm-Festivals in Venedig und Brüssel ein und gewann dort 1. Preise. Lehrer Reschke sah hier die Möglichkeit einer interessanten Erweiterung schulischer Möglichkeiten und so gründeten die beiden mit ein paar anderen Schülern die „Arbeitsgemeinschaft Film“.
Insgesamt ein privilegierter Klub: Geräte und Material mußten die AGler selbst anschaffen – bis auf ein paar Schenefelder, denen der dortige Pfarrer eine Gebrauchtausrüstung kaufte. Die Ergebnisse wurden ein paarmal im Jahr für 50 Pfg. Eintritt in der Aula gezeigt. Kleine Westernparodien, Kurzfilme aus dem Schülerleben, sogar Trickfilme und psychedelischer Pop. Was davon nach 50 Jahren noch vorhanden ist, hat Veranstalter Christian Meurer ausfindig gemacht: In Tübingen verwahrte Pharmawerbefilmer Rolf Stumm noch den Römer-Zeichentrickfilm, an dem er mehrere Jahre gearbeitet hatte. Auch der Film „Dreams“, mit dem er als 13jähriger 1967 einen Filmwettbewerb in Braunschweig gewann, existiert noch, ebenso der Mitschnitt eines damaligen Radio-Interviews mit ihm und Lehrer Reschke. Eine besondere Rarität lag in einem Karton im Keller eines Hauses im brandenburgischen Teltow: Ein Zwanzig- Minuten-Streifen, mitunter farbig, den AGler Wilfried Glaner Ende Mai 1968 während der Schüler-Demonstrationen gegen die Notstandsgesetze drehte – ein Hauch von Woodstock beim Sit-In im Prinzeßhof. Weitere Filme portraitieren die Itzehoer Gruppe der DKP-Jugendorganisation SDAJ oder zeigen ein Festival der Anfang der 70er kurzfristig aufgekommene urchristlichen Hippie-Sekte, „Jesus people“ in Itzehoe.
All diese Filme sind natürlich auch Gucklöcher in ein vergangenes Itzehoe. Das gilt besonders für die Frühwerke Rainer Boldts, der nach dem Abitur 1966 während seiner Bundeswehrzeit am Hungrigen Wolf offenbar viel Gelegenheit zum Filmen fand. Bis zu seinem Weggang zur Film- und Fernsehakademie“ in West-Berlin entstand in und um Itzehoe noch ein halbes Dutzend Kurzfilme, stilistisch angesiedelt irgendwo zwischen Swinging London und den Cinéasten-Regisseuren Antonioni und Godard, gefilmt auf schon professionellem 16 mm-Material: Gestochen scharf und zum Teil in völlig unverblassten Farben erblickt man die alte Zuckerfabrik, die Kaserne an der Moltkestrasse oder die alte Tchibo-Filiale.
Boldt, der 1969 in Berlin zu studieren begann, zog bald seinen Mitschüler Helmut Wietz nach, gemeinsam gerieten sie in die 68er Apo-Revolte hinein. Entsprechend militant aufgeladen, kehrten Boldt und Wietz Anfang 1969 nach Itzehoe zurück und agitierten die Film-AG. Für einen „Schülerfilm“ gingen Schüler unangemeldet mit Kameras in die Klassen, versuchten Lehrer die zum Teil vorher in Boldt-Filmen mitgewirkt hatten, mit unangenehmen Fragen festzunageln und die gesamte Unterrichts-Situation als verfehlt und festgefahren zu entlarven.
Diese Aktion trug wesentlich dazu bei, das ohnehin schon polarisierte Klima zwischen dem mehrheitlich konservativen Lehrerkollegium und den aufmüpfigen Schülern weiter zu steigern. Als dieser Film über ein Jahr nach den Dreharbeiten in einer Discothek, dem heutigen „Bierdorf“, gezeigt wurde, schwänzten Scharen von KKS-Schülern dafür den Unterricht. Auch das wurde in einem „Epilog zum Schülerfilm“ festgehalten. Ausgerechnet die liberale Lehrergruppe um Nico Hansen, Wolfgang Reschke und Friedrich Gieselmann geriet dabei immer mehr zwischen die Fronten: Angefeindet wurden sie sowohl vom konservativen Lehrerkollegium wie auch vom radikalsten Teil der Schüler, die schon nach der Filmvorführung ankündigten, auch mit liberalen Lehrern gäbe es nun keine Zusammenarbeit mehr. Tragischer Höhenpunkt der Auseinandersetzung war dann im Juli 1970 eine Tragödie, die die ganze Stadt erschütterte: Der zermürbte und innerlich tief zerrissene KKS Direktor Ehlers nahm sich das Leben.
Danach war es mit der Schülermilitanz in Itzehoe erst einmal zu Ende. Die „Film-AG“ lief in den nächsten Jahren aus. Auch das weitere Schaffen einiger AGler ist mit im Programm: Axel Brandt, später ein berühmter Kameramann, folgte Wietz und Boldt auf die „Film- und Fernsehakademie“, drehte später seinen Abschlußfilm „Johannsen“ in Itzehoe und einen anrührenden Dokumentarfilm über einen alkoholkrank gewordenen Mitschüler und dessen Rückkehr nach Itzehoe („Mein Freund Ralf“). Helmut Wietz verewigte die Apo-Erlebnisse in einem Comic, den er erst vor ein paar Jahren veröffentlichte und filmte u.a. Joseph Beuys bei einer Aktion in New York, bei der der Fett- und Filz-Künstler mehrere Tage in einer Galerie Zwiesprache mit einem Koyoten hielt. Rainer Boldt etablierte sich nach einigen rebellischen Frühwerken als vielbeachteter Fernsehfilmer, drehte auch noch mehrfach in Itzehoe – z.B. den ZDF-Film „Menschenfresser“ über einen zu Unrecht verdächtigten Außenseiter. In den 80er Jahren erregte er noch einmal großes Aufsehen mit einem – abgesetzten - Fernsehspiel über einen Atomunfall im norddeutschen Binnenland.
Insgesamt ist diese Rückschau nur der erste Teil einer ganzen Veranstaltungsreihe zum Thema „Film im Kreis Steinburg“, die nach und nach stattfinden sollen. „Itzehoe und das umliegenden Kreisgebiet haben vielfach Filmen es Schauplatz geliefert“, so Veranstalter Christian Meurer, „und es gab auch örtliche Filminitiativen, die hiesige Geschehnisse dokumentierten. Es wird also zwischen Profi- und Amateurfilmen hin- und hergehen. Aber das nächste Segment wird sich noch einmal vertieft Rainer Boldts Schaffen widmen, wenn wir den Rest seiner Originalfilme digitalisiert haben.“
Text: Christian Meurer
Da noch weitere Veranstaltungen zu dieser Thematik geplant sind, bittet Christian Meurer Leser, die ihm Auskunft geben können, um Mithilfe: Kennt jemand Angehörige des Anfang der 80erJahre verstorbenen AG-Mitglieds Michael Vogler? Kann jemand Auskunft darüber geben, wo Gaby Falk, seinerzeit Hauptdarstellerin vieler Rainer-Boldt-Filme heute lebt? Antworten bitte unter Tel. (04826) 2120
Termine
2017 |
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19. November | 20 Uhr |
KKS Film AG Festival: Retro der Highlights
Ein Abend für alle, die bei den früheren Terminen nicht dabei sein konnten oder Filme der Film-AG bzw. frühe Boldt-Filme noch einmal sehen möchten. Zuschauerwünsche sind willkommen. |
14 Uhr |
KKS Film AG Festival: Von Itzehoe nach Moskau – Filme von Axel Brandt
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10 Uhr | KKS Film AG Festival: Begegnung mit Rainer Boldt. Film- und Fernseh-Dokumente | |
18. November | 20 Uhr |
KKS Film AG Festival: Rainer Boldt - Der Weg in die Fernsehunterhaltung
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18 Uhr |
KKS Film AG Festival: Rainer Boldt – eine frühe Arbeit für das Fernsehen
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14 Uhr |
KKS Film AG Festival: Rainer Boldt – Filmarbeiten aus der Zeit an der Film- und Fernsehakademie Berlin
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10 Uhr |
KKS Film AG Festival: Rainer Boldt – die frühen Itzehoer Filme
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17. November | 20 Uhr |
KKS Film AG Festival: Der Fall „Schülerfilm III“ - Die Politisierung der Film-AG
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16. November | 20 Uhr |
KKS Film AG Festival: Western, Römer, Superman, Kino & Politik
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