Symposium
#CARING
Wie lassen sich ethische Konzepte von Care in gelebte Realitäten umsetzen? Die 4. Ausgabe der New Alphabet School widmet sich Konzepten und Praktiken von kollektiver Fürsorge
Fürsorge – hier mit dem mehrschichtigen englischen Begriff Care betitelt – kann einen ethischen und politischen Handlungsrahmen bieten, das den Menschen als sorgetragende Figur eines zerrütteten Planeten und seiner Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt.
Care bedeutet daher, die Fragilität von Beziehungsgeflechten anzuerkennen, sowohl zwischen Menschen als auch Nicht-Menschen; zwischen Menschen und ihren Systemen, Infrastrukturen und Institutionen. In diesem Sinne, fordert Care als ethisches Konzept dazu auf, soziale Bindungen und Systeme zu erschaffen, die auf einer kontextspezifischen Moral beruhen, jenseits abstrakter oder universeller Vorstellungen von Gerechtigkeit.
Doch wie lassen sich diese ethischen Konzepte von Care in gelebte Realitäten umsetzen? Wie kann Care auf verschiedenen Ebenen praktiziert werden – auf persönlicher, kollektiver, ländlicher, städtischer und atmosphärischer Ebene –, um mehr-als-menschliche Welten zu aufrecht zu erhalten? Und wie lässt sich Care entromantisieren – so dass zu einem fürsorgenden Denken und Handeln übergegangen werden kann, das den ungleichen Bedingungen von Sorgearbeit entgegengewirkt?
Die 4. Ausgabe der New Alphabet School arbeitet daher mit einem vielschichtigen Verständnis von Care, das weit über die intime Ebene zwischenmenschlicher Beziehungen hinausreicht. Ziel ist es, verschiedene Auffassungen und Praktiken von Care zu befragen, zu hinterfragen und darüber zu reflektieren, wie und ob Care als radikale Praxis für sozialen Wandel fungieren kann. Die Veranstaltung bringt Künstler*innen, Architekt*innen, Historiker*innen, Geograf*innen und politische Aktivist*innen zusammen, die in ihren Beiträgen ausloten, wie sich Menschen wir uns zueinander in Beziehung setzen und ihren Welten Form geben. Wenn also die Aufmerksamkeit vom „Was“ auf das „Wie“ verlagert wird, dann stellt sich die Frage: Wie lässt sich Sorge gemeinsam tragen und organisieren? Und wie lässt sich dies auf verantwortliche Weise tun?
#CARING ist eine Kooperation zwischen der Arthur Boskamp-Stiftung und dem HKW. Ursprünglich war das Projekt als eine viertägige Veranstaltung geplant, das im HKW, im M.1 in Hohenlockstedt und unterwegs zwischen beiden Orten stattfinden würde. Doch die Ausbreitung von Covid-19 stellt nicht nur bereits etablierte Verständnisse von Care auf den Prüfstand, sondern schränkt auch die Möglichkeiten eines öffentlichen Programms stark ein.
In ihrer überarbeiteten Fassung wird daher diese Ausgabe der New Alphabet School zu einer vielstimmigen und interdisziplinären Veranstaltung, die mit schriftlichen, virtuellen und hybriden Formaten experimentiert: mit einem öffentlichen Programm in Form eines Livestreams am 12. Juni, Film-Screenings, Performances und Workshops am 13. und 14. Juni, sowie mit künstlerischen, aktivistischen und wissenschaftlichen Beiträgen auf dem New Alphabet School Blog. Darunter auch der interdisziplinäre Briefwechsel "Letters to Joan", dieser vereint verschiedene Perspektiven von Künstler*inen, Schriftsteller*innen und Wissenschaftler*innen in Bezug auf den Care Diskurs in Zeiten der Pandemie. Die Einladung, diese Briefe an Joan Tronto zu schreiben, eine Hauptvertreterin verschiedener Konzepte und Theorien zu Care, bietet einen losen Rahmen, innerhalb dessen sich die Beitragenden von ihrer eigenen Praxis und Identität aus positioniert haben.
Eine Fortsetzung der Veranstaltung ist am 24. und 25. Oktober 2020 vor Ort am M.1 in Hohenlockstedt unter dem Titel INFRASTRUKTUREN DES ZWISCHENMENSCHLICHEN geplant, mit Beiträgen von Malu Blume, Polyphrenic Creatures, Konzeptwerk Neue Ökonomie, Maternal Fantasies, Studio Experimentelles Design (Klasse Jesko Fezer, HFBK Hamburg), Antje Hachenberg u.v.a.
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#CARING vereint Beiträge von Júlia Souza Ayerbe, Malu Blume, Edna Bonhomme, Loren Britton, Johanna Bruckner, Teresa Dillon, Andreas Doepke, João Florêncio, Johanna Hedva, Elke Krasny, Henry Lyonga, Maternal Fantasies, Romi Morrison, Mwape J. Mumbi, Polyphrenic Creatures, Pallavi Paul, Helen Pritchard, Helena Reckitt, Patricia Reed, Yayra Sumah, und Joan Tronto.
In Kooperation mit dem Haus der Kulturen der Welt und Soft Agency
Co-kuratiert von Sascia Bailer, Gilly Karjesvky und Rosario Talevi